Im Labyrinth der Lügen
Text von Ute Krause, Titelgrafik: Geviert
Paul ist am Boden zerstört: Seine Eltern
wurden nach einem Fluchtversuch von
der Bundesrepublik freigekauft und beginnen
in West-Berlin ein neues Leben –
ohne ihn. Er darf die DDR nicht verlassen
und ob er seine Eltern je wiedersehen
wird, ist ungewiss. Halt geben ihm Oma
und Onkel Henri – und seit kurzem seine
Klassenkameradin Millie, die ohne Mutter
beim Vater lebt. Eines Abends besuchen
die beiden Onkel Henri im Pergamonmuseum,
der dort als Nachtwächter arbeitet.
Als sie in den Sälen unerklärliche Geräusche
hören, forschen Paul und Millie auf
eigene Faust nach und geraten in eine
gefährliche Geschichte ...
cbj Verlag
287 Seiten · gebunden
ab 10 Jahren
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Auszeichnungen
- Deutscher Hörbuchpreis 2017 | Bestes Kinderhörbuch

»Superspannender Krimi- und Abenteuerroman.«
Geolino
»Das Buch eignet sich als Klassenlektüre, weil es spannend verpackt Wichtiges zur Deutschen Geschichte erzählt und ethische Fragen aufwirft.«
AJuM Niedersachsen
»Super spannend und ganz toll geschrieben.«
Buchmarkt
»Spannender Jugendroman über das schwierige und auch gefährliche Leben in der DDR.«
Frankfurter Stadtkurier
»Ein wirklich schönes Kinderbuch, das definitiv auch für Erwachsene geeignet ist!«
neon-oati.blogspot.de
»Ute Krause verurteilt nicht und vermittelt ein Gefühl dafür, wie es vor knapp 30 Jahren in Ostberlin gewesen sein könnte.«
eselsohr
Der regennasse Asphalt schimmerte im Schein der Laternen.
Hier und da brannten Lichter in den Häusern, aber die
Straßen lagen verlassen da. Bei diesem Wetter ging kaum jemand
vor die Tür. Die Kinder überquerten schweigend die
Brücke, gingen am Museum vorbei und schlugen wieder den
Weg entlang der S-Bahn ein. Paul war froh, dass er auf dieser
einsamen Strecke heute Gesellschaft hatte. Millie zog die
Kapuze ihrer Jacke hoch und schlang die Arme fest um ihren
Körper.
»Das war ziemlich … interessant«, sagte sie und sah Paul
mit ihren dunklen Mandelaugen schräg von der Seite an. Er
nickte. Ihm war nicht nach plaudern zumute. Sie schwiegen
wieder, und jeder hing seinen Gedanken nach, während sie
zum Bahnhof gingen.
»Was ist eigentlich ein Depot?«, fragte Millie plötzlich.
»Da werden all die Sachen aufgehoben, die im Museum
nicht ausgestellt werden können. Eine Art Lager.«
»Verstehe. Das heißt, es ist nicht bewohnt? Und da sind
keine Büros oder so?«
»Nein. Warum?«
»Dein Onkel sagte, wir wären heute Abend ganz allein
im Museum gewesen. Aber entweder spukt es dort oder das
stimmt nicht.«
Paul blieb überrascht stehen. Hatte sie etwa auch was gehört?
Das bedeutete, dass er mit seinen Beobachtungen nicht
allein war.
»Wie kommst du darauf ?«
»Weil … weil da etwas war.«
Paul fuhr sich durch die Haare, genau wie Onkel Henri,
und genau wie bei Onkel Henri standen sie ihm jetzt zu
Berge.
»Als ich aus der Toilette kam, habe ich ein Geräusch gehört
«, sagte Millie. »Ich glaube, es war das Schließen der
Fahrstuhltür. Dann sah ich, wie die Zahlen über dem Aufzug
sich bewegten. Er fuhr ganz nach oben.«
Paul schluckte. Ihm war fast ein wenig schwindelig.
»Bist du sicher?«, flüsterte er heiser.
Millie hob die Hand zum Schwur: »Beim Grab meiner
Großmutter.«
»Ich habe auch etwas bemerkt«, sagte er, und dann erzählte
er von den Schritten, die er gehört hatte, und von dem Türchen
im Ischtartor. Und davon, dass er in dem Saal mit dem
Tor von Milet ein Klicken gehört und das Gefühl gehabt
hatte, nicht alleine zu sein. Und dass sich in den Schatten
etwas zu bewegen schien. Alles sprudelte jetzt aus ihm heraus.
Millie lauschte aufmerksam. Vor Aufregung hatten sie
Regen und Kälte ganz vergessen. Paul erzählte auch von der
Steintreppe, die nachts angeblich knackte, obwohl doch nur
Holztreppen knacken konnten. Sie sprachen über das unheimliche
Heulen und den kalten Luftzug, für den beide
keine Erklärung hatten.
»Onkel Henri sagt zwar immer, im Dunkeln bildet man
sich so Einiges ein. Und er meint, er hat noch nie einen Geist
gesehen.«
»Jedenfalls habe ich noch nie von einem gehört, der Fahrstuhl
fährt«, entgegnete Millie.
Paul vergrub die Hände in seinen Jackentaschen.
»Vielleicht gibt es ja doch eine einfache Erklärung«, sagte
er zögernd.