Osman.
Immer Ärger mit dem Dschinn
Text und Illustrationen von Ute Krause
Papa ist zu einer Konferenz nach Istanbul
eingeladen worden, da fahren Fanni und
Anton natürlich mit. Im Topkapi-Palast
wartet ein Geheimversteck auf sie, und
eine geflüsterte Botschaft im
Gewürzbasar führt sie in eine alte
Zisterne. Als sie dann mit ihren Eltern in
der Vergangenheit landen, nämlich im
Stambul von 1685, überschlagen sich die
Ereignisse, denn diesmal ist der
Flaschengeist Osman in die Hände des
Bösen geraten.
Oetinger Verlag
224 Seiten · gebunden
ab 10 Jahren
»Ute Krauses wichtigste Eigenschaft aber ist die Fähigkeit, ständig neue Geschichten zu erfinden, die überraschend sind, klug und vor allem humorvoll.«
Der Tagesspiegel
»Mitreißend und fesselnd entwickelt die Autorin ihr Märchen, das manchmal ganz realistisch daherkommt.«
Stuttgarter Zeitung
»Heda!«
Die Augen des gebückt hockenden Mannes funkelten. Anton hatte den alten
Schuhputzer nicht gleich bemerkt, dabei musste der Mann ihn schon länger
beobachtet haben. Der Gewürzbasarwar voller Touristen, die sich an den Ständen und kleinen Läden vorbeischoben und die gelben, grünen und rotbraunen Gewürztürme bestaunten. Hier also sollte das echte, alte Istanbul sein, wie Mamas Reiseführer behauptet hatte! Dass es hier mindestens so viele
Schmuck- und Nippesläden wie Gewürzgesch.fte gab, hatte der Reiseführer verschwiegen. In einem dieser Läden, vor dem I love Istanbul-T-Shirts hingen, waren gerade Mama und Antons Schwester Fanni verschwunden.
Vor dem Laden gegenüber stand ein dicker Händler, der ein blumengemustertes Hemd trug. Anton sah, wie drei japanische Touristen
ihn fotografierten. Dabei war der nicht einmal Türke, sondern wirkte eher wie ein Inder. Neben ihm saß auf einem kleinen Hocker der Schuhputzer, der Anton
gerufen hatte und ihn jetzt zu sich heranwinkte. Vor ihm blitzte ein silberner Schuhputzkasten. Anton schüttelte den Kopf und zeigte auf seine Turnschuhe. Doch der Mann winkte unbeirrt weiter.
»Ich hab nichts zu putzen, ehrwürdiger Herr«, rief Anton schließlich auf Türkisch.
Der Alte nickte und lächelte kaum merklich.
»Das sehe ich«, antwortete er. »Aber ich will dich etwas fragen.«
Anton warf einen Blick in den Nippesladen. Mama und Fanni waren noch immer in ein angeregtes Gespräch mit dem Händler vertieft. Mama ließ es sich nicht nehmen, zu feilschen, das gehöre hier einfach dazu, hatte sie erklärt. Das konnte sich also noch eine Weile hinziehen. Zögernd ging Anton hinüber. Der Schuhputzer betrachtete den Jungen prüfend und nickte. Anton war vor Kurzem zwölf geworden, hatte dunkle lockige Haare und wache braune Augen. Er war eher klein für sein Alter und wirkte etwas schüchtern.
»Du sprichst ein sehr reines Türkisch – aus einer längst versunkenen
Zeit«, sagte der Mann, beugte sich vor und holte ein Pfeifchen aus
seinem silbernen Putzkasten.
»Ja. Kann sein.« Anton zuckte verlegen die Achseln. Seit er und seine
Schwester Fanni das letzte Mal mit dem Dschinn Osman in die Vergangenheit
gereist waren, sprachen beide fließend Türkisch. Natürlich war es darum das alte, arabische Türkisch, aber das konnte er ja schlecht erklären.
»Du bist keiner dieser üblichen Touristen«, fuhr der Mann fort, klopfte
mit dem Pfeifchen gegen seinen Kasten, zündete es an und nahm
ein paar tiefe Züge. Dabei ließ er Anton keinen Moment aus den Augen.
Er hatte das Profil eines Falken und den Blick einer Echse. Etwas
an ihm war unheimlich. Anton überlegte, wie er sich höflich wieder
aus dem Staub machen könnte.
Die hervortretenden Augen des Mannes glitzerten. »Mir scheint, ihr
sucht etwas in dieser Stadt. Vielleicht etwas ganz Bestimmtes?« Der
letzte Satz klang leicht spöttisch.
»Schon möglich«, murmelte Anton überrascht. War der Alte ein bisschen
verrückt? Und warum sagte er ihr?
Als hätte er seine Gedanken gelesen, richtete der Mann seinen Blick
plötzlich auf etwas hinter Antons Rücken. Anton drehte sich um und
sah seine Schwester Fanni, die gerade den Souvenirladen verließ und
zu ihnen hinüberschlenderte.
»Mama ist gleich fertig«, rief sie. »Wir sollten auch möglichst bald …«
Als sie den Schuhputzer bemerkte, der sie so eindringlich anschaute,
blieb sie stehen und starrte zurück.